GQ-Magazin / 27. Januar 2021 / Wie veröffentlicht
Snowpiercer Staffel 2 ist die richtige Serie zum richtigen Zeitpunkt
Die postapokalyptische Netflix-Serie „Snowpiercer“ startet in die nächste Runde. Neu mit dabei ist Sean Bean, der Star aus „Herr der Ringe“ und „Game of Thrones“.
++ Der Text beinhaltet Spoiler zur ersten Staffel und zum Beginn der zweiten. ++
Wie gehen die letzten Überlebenden einer weltweiten Katastrophe mit einer existentiellen Krise um? Dieser Frage widmet sich die dystopische Science-Fiction-Serie
„Snowpiercer“, die seit letztem Jahr bei Netflix zu sehen ist und die nun um eine Staffel erweitert wurde. Jennifer Connelly und Daveed Diggs spielen die Hauptrollen in dem Endzeit-Drama, in dem
ein Hochgeschwindigkeitszug zur Arche der letzten Menschen geworden ist. Der Zug mit dem Namen Snowpiercer hat den Planeten bereits mehrmals erfolgreich umrundet; er darf niemals stehen bleiben,
denn sonst würden Temperaturen von mehr als 119 Grad Celsius durch die stählernen Außenwände eindringen und alle Passagiere müssten jämmerlich erfrieren.
In der ersten Staffel putschten sich die Rebellen, angeführt von Andre Layton (Daveed Diggs), bis zu den vorderen Bereichen des Zuges, in denen Mitglieder der
ersten und zweiten Klasse ein königliches Leben führten. Während eines riskanten Manövers, in dem auch Melanie Cavill aka Jennifer Connelly eine Rolle spielte, wurde ein Teil des Zuges
abgekoppelt und die verbleibenden Revolutionäre wurden so, auf grausame und fast schon elegante Weise, von den nach Macht geifernden Unruhestiftern der ersten Klasse getrennt. Die Meuterei war in
Gang gekommen, als bekannt wurde, dass der leitende Ingenieur Mr. Wilford gar nicht an Bord sei und in Wirklichkeit Melanie Cavill den Zug steuerte. Kurz nach dem gelungenen Umsturz übergab
Cavill den Rebellen den Zug und Andre Layton erhielt das Kommando. Doch die neu gewonnene Ordnung war nicht von Dauer, denn schon bald tauchte am Horizont ein weiterer Zug auf – der hintere Zug
koppelte sich an den vorderen und der Snowpiercer stoppte ausgerechnet in den arktischen Ruinen jener Stadt, in der die Reise vor sieben Jahren begonnen hatte.
Eine negative Utopie zur richtigen Zeit
Sieht man sich Teile der ersten Staffel ein weiteres Mal an, fällt einem sofort der fehlende Humor auf, der beim Ursprungswerk (aus dem Jahr 2013) des Regisseurs Bong Joon-Ho (vier Oscars für „Parasite“ im letzten Jahr) essenziell war. Im Gegensatz zum Spielfilm hat die Serie auch so gut wie keine Preise gewonnen und die Popularitätswerte der internationalen Filmportale verzeichnen einen Abwärtstrend. Aber vielleicht ist „Snowpiercer“ die richtige TV-Serie zur richtigen Stunde: Draußen schneit es, eine globale Pandemie ist nach wie vor nicht eingedämmt und der Lockdown wurde gerade verlängert.
Theoretisch ist die Zeit also genau richtig, um sich Klassenkämpfe von Klima-Überlebenden anzusehen, die um die Vorherrschaft in einer engen, geschlossenen Welt kämpfen. „Snowpiercer“ hat außerdem das Glück, dass die Serie weder im Weltraum noch in einem nebligen Wald spielt, oder in den stickigen Räumen einer amerikanischen High School. Ergo: Netflix und der Ursprungssender TNT werden ziemlich sicher wieder Zuschauerrekorde erwarten können. Staffel 3 wurde bereits angekündigt.
Zwei miteinander verbundene Maschinen
Es ist kein Geheimnis, dass Sean Bean in der zweiten Staffel mitspielt: Der Star aus „Game of Thrones“ taucht bereits im Trailer auf, den Netflix vorab veröffentlicht hat. Bean verkörpert den mysteriösen (totgeglaubten) Mr. Wilford, der sich zu Beginn der neuen Staffel mit der Ankoppelung seines Zuges „Big Alice“ wieder ins Spiel bringt. Dieser Versorgungszug hat nur 40 Abteile, scheint aber ebenfalls über eine beeindruckende Infrastruktur zu verfügen. Anzahl der Crewmitglieder: Noch unbekannt.
Alexandra Cavill (Rowan Blanchard), die Tochter von Melanie Cavill, die zu Verwunderung aller noch am Leben ist, verhandelt mit Layton und den Rebellen. Forderungen werden gestellt: „Bringt mir alles von dieser Liste“, befiehlt sie. Seltene Leckereien wie Bier, Karotten, Gurken und sogar ein Buch von Daphne du Maurier stehen auf der Liste. Diese Dinge müssen nun schnell von den „Tailies“ besorgt werden, bevor alle erfrieren. Durch die Kopplung der beiden Züge ist der „Tail“ zum Grenzgebiet geworden und die Vorfreude auf demokratische Verhältnisse hat sich erledigt. Während im Inneren verhandelt wird, versucht Melanie Cavill die Züge von außen wieder zu trennen.
Zwei miteinander gekoppelte Züge, neue Protagonisten, ein exzentrischer machtlüsterner Erfinder und ein Mutter-Tochter-Konflikt – die nächste „Snowpiercer“-Staffel könnte spannend werden. Nach der ersten Episode will man tatsächlich wissen, wie es weiter geht, auch wenn man vermutet, dass einem der Showrunner Josh Friedman die identische Klassenkampf-Story einfach ein zweites Mal serviert; nur eben mit ein paar neuen Gesichtern.
Da „Snowpiercer“ immer zuerst beim US-Bezahlsender TNT Weltpremiere feiert (mit einer wöchentlichen Episode), zeigt Netflix “Snowpiercer” ebenfalls nur eine neue Folge pro Woche. Wir müssen also viel Geduld haben, beim Machtkampf der beiden Hightech-Archen.
„Snowpiercer“ Staffel 2 ist bei Netflix abrufbar. Ab dem 26. Januar wird jeden Dienstag eine weitere Folge veröffentlicht.
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