TEXAS CHAINSAW MASSACRE

(c) Yana Blajeva/Netflix
(c) Yana Blajeva/Netflix

 

GQ-Magazin / 18. Februar 2022 / Update

“Texas Chainsaw Massacre” bei Netflix: Die Rezension zur Neuverfilmung

 

In der Fortsetzung des Slasher-Kultfilms von 1974 will eine Gruppe junger Menschen einer Geisterstadt neues Leben einhauchen. Der gefürchtete Mann mit der Maske erwartet sie bereits.

 

Der Film beginnt – wie zu erwarten war – an einer staubigen Tankstelle auf dem Land, weit entfernt von jeder größeren Metropole: Melody (Sarah Yarkin), ihre Schwester Lila (Elsie Fisher), der Koch Dante (Jacob Latimore) und Ruth (Nell Hudson) sind auf dem Weg zu der texanischen Geisterstadt Harlow. Neben Energy-Riegeln und Chips kann man in der Tankstelle auch Souvenirs wie T-Shirts oder Korkenzieher kaufen, die an ein berüchtigtes Massaker in den 70er-Jahren erinnern. Wie man nun per Videoeinblendung erfährt, fiel damals eine Gruppe von jungen Leuten einer Kannibalen-Familie zum Opfer; Sally Hardesty (Olwen Fouéré), die einzige Überlebende des Blutrauschs von 1974, hat sich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen und will nichts mehr über die Tat sagen.

 

Weder Dante noch Melody scheint es zu beunruhigen, was vor fast 50 Jahren in dieser trostlosen Gegend geschehen ist – der Chefkoch und Influencer Dante plant sogar, die Kleinstadt Harlow in einen neuen Gourmet-Park zu verwandeln. Doch schnell droht Ärger: Die greisenhafte Besitzerin eines Waisenhauses erhebt Anspruch auf ein Gebäude, kollabiert und wird von der Polizei abtransportiert. Kurz darauf gerät die ganze Situation außer Kontrolle: Der psychopathische Serienkiller Leatherface erscheint auf der Spielfläche und bald kommt auch wieder eine Kettensäge zum Einsatz.

 

Horror und Gewalt im Trend

 

Dass der amerikanische Streamingdienst sein Horrorfilm-Portfolio mit einer Fortsetzung des Klassikers „Blutgericht in Texas“ (Originaltitel: „The Texas Chainsaw Massacre“) aus dem Jahre 1974 erweitert, folgt einem aktuellen Trend: Bei Netflix verzeichnen Genre-Produktionen wie „Squid Game“ oder zuletzt „All of Us Are Dead“ (Genre: Highschool-Love-Story-Zombie-Gemetzel?) weltweit gigantische Erfolge. Serien wie „The Walking Dead“ haben eine riesige Fangemeinde – die Zuschauer sind also einiges gewöhnt. Will man dem gestählten Publikum heute noch Schweiß- und Angstperlen auf die Stirn zu treiben, muss man tonnenweise Blutsuppe zusammenrühren und sich möglichst drastisch aus der ewigen Trickkiste des Horrorgenres bedienen.

 

Netflix hat nun die weltweiten Rechte der neusten Version von „Texas Chainsaw Massacre“ erworben. Regie führt der Newcomer David Blue Garcia, das Drehbuch stammt von Chris Thomas Devlin. Der Horror-Film der Produktionsgesellschaft Legendary Pictures ist eine direkte Fortsetzung des Originals und bereits die neunte Auskopplung des Kettensägen-Franchises. Die Handlung spielt Jahrzehnte nach den Ereignissen von 1974: Laut Netflix und Legendary „versuche der Film dort weiterzumachen, wo der Hooper- und Kim-Henkel-Film ursprünglich aufgehört hat“, meint das amerikanische Branchenmagazin „The Hollywood Reporter“.

 

Ein Schocker für die Netflix-Gemeinde

 

Warum die 1974 veröffentlichte Low-Budget-Produktion von Tobe Hooper als einer der einflussreichsten Horrorfilme aller Zeiten gilt, können wahrscheinlich nur Fans des Slasher- und Backwood-Film-Genres korrekt beantworten. Aus heutiger Sicht ist der Film, der in Deutschland erst 2011 vom Verbots-Index gestrichen wurde, einfach nur ein roh inszenierter B-Movie voller Klischees, in dem die Gewalt meistens nur angedeutet wird und man in der Regel gar nicht sieht, was tatsächlich passiert. Das Werk entfacht seine nihilistische Wirkung erst im letzten Teil, in dem ein weibliches Opfer (später genretechnisch zum „Final Girl“ kuratiert), auf sadistische Weise von der Hinterwäldlerfamilie gedemütigt und gefoltert wird. Was bleiben wird, ist die filmhistorische Bedeutung des Kultfilms, der die Popkultur um ein weiteres unendlich wiederkehrendes Erzählmuster „bereichert“ hat.

 

An der Neuproduktion von Regisseur David Blue Garcia kann man verfolgen, wie explizit der Horror inzwischen sein muss, um den Rezipienten von der Couch zu schrecken: Unvermittelt brechen Knochen und eine Person wird mit den Stümpfen zu Tode gehackt; einem am Boden liegendem Opfer wird der Schädel zertrümmert und Psychokiller Leatherface sägt sich mit seiner Kettensäge auf engstem Raum durch eine Gruppe von Menschen. Die Kamera ist in fast jeder Situation mitten im Getümmel und zeigt fast alles bis ins kleinste Detail.

 

Horror auf der Höhe der Zeit

 

Produktionstechnisch ist Garcias Film auf der Höhe der Zeit, angepasst an ein internationales Netflix-Publikum, das schon viel gesehen hat und nur schwer zu schockieren ist. Ernst nehmen kann man das Ganze nicht – immerhin ist die neuste Version des „Texas Chainsaw Massacre“-Franchises ziemlich spannend geraten, was vor allem an den spontanen Handlungswechseln liegt, mit denen man nicht gerechnet hat. Wer zarter besaitet ist, sollte sich das Spektakel aber besser nicht ansehen: Auch wenn dieser thrillerhaft konzipierte Slasher-Film sicherlich nicht zum Härtesten gehört, was das Genre zu bieten hat, ist „Texas Chainsaw Massacre“ auf keinen Fall gemütliche Popkorn-Unterhaltung für einen entspannten Abend.

 

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