DOKFEST MÜNCHEN / 10. Mai 2018 / BLOG
Löschen oder Ignorieren – Die geheime Arbeit der Content-Moderatoren in Manila
Der Dokumentarfilm „The Cleaners“ erzählt von Arbeitern auf den Philippinen, die für Google, Facebook und Co das Internet bereinigen. Sie löschen Kinderpornos, politische Propaganda und Fake-News. Ein Film über eine verborgene Schattenindustrie.
Die modernen Sklaven des Internetzeitalters schuften irgendwo in den Hochhäusern der Hauptstadt Manila, eine der am dichtesten bevölkerten Metropolen der Welt. In Schichten, die bis zu zehn Stunden dauern, müssen sie bis zu 25.000 Bilder und Videos bereinigen, die ihnen am Bildschirm angezeigt werden. Das hört sich unfassbar viel an, wie ein nicht mehr zu bändigender Kontrollverlust – doch wer soll sich sonst um 2,5 Millionen Facebook-Posts und 500 Stunden Youtube-Videos kümmern, die von den Usern pro Minute in die sozialen Netzwerke hochgeladen werden. Die Rede ist von sogenannten Content Moderatoren, die für Google, Facebook und Twitter im Verborgenen arbeiten, um Inhalte zu überprüfen, die wir nicht sehen sollen und die den Community Standards der großen Silicon Valley-Konzerne nicht entsprechen. Mehr als 10.000 Menschen sollen in Manila arbeiten, dem angeblich weltweit größten Outsourcing-Standort für Content Moderation.
Bei dem Content, den die Moderatoren sichten müssen, handelt es in der Regel um Inhalte, die als anstößig gemeldet worden sind: Also um Kinderpornos, Gewalt, sexuelle Inhalte, politische Propaganda, Fake-News und Hassreden. Aber auch um Satire, politische Inhalte, Kunst und allgemeine Inhalte, die je nach politischer Richtung oder Kultur eine Bedrohung für die jeweiligen Benutzer zu bedeuten scheinen. Im Verborgenen hat sich so in Manila eine Schattenindustrie gebildet, die überwiegend für Inhalte aus den USA und Europa zuständig ist.
Genau hier setzt „The Cleaners“ an: Der investigative Dokumentarfilm feierte bereits beim diesjährigen Sundance Film-Festival seine Weltpremiere und war auch auf dem Münchner Dok.fest zu sehen. Am 17.Mai startete der Debütfilm der Regisseure Hans Block und Moritz Riesewieck in den deutschen Kinos.
Die Eintrittskarte in die Welt der Kinos
„The Cleaners“ ist wie ein Thriller inszeniert: Die fünf Content-Moderatoren, die in der Doku zu Wort kommen, sitzen in dunklen Büroräumen im fahlen Licht ihrer Bildschirme. „Ignore“ … „Delete“ … „Ignore“ … „Delete“, murmeln sie im monotonen Takt der schrecklichen Bilder, die ihnen präsentiert werden. Die spielfilmhafte Inszenierung scheint gleichzeitig die Eintrittskarte in die Welt der Kinos zu sein, da es in den letzten Jahren immer schwieriger geworden ist, Dokumentarfilme überhaupt in die Lichtspielhäuser zu bringen.
Jeder Moderator hat seine eigene Geschichte zu erzählen. Die Interviews werden immer wieder von Aufnahmen unterbrochen, die das nächtliche Manila zeigen oder die globaleren Auswirkungen der Onlinezensur dokumentieren: Zum Beispiel Fake News und Hate Speech, die in den Sozialen Netzwerken verbreitet werden, mit teilweise katastrophalen Folgen. Die Interviews mit den Content-Moderatoren wurden nachinszeniert – dieser outgesourcte Industriezweig schottet sich mit allen Mitteln vor der Öffentlichkeit und den Medien ab. Die Angestellten der Dienstleister, die in Manila für das Silicon Valley tätig sind, werden eingeschüchtert und dürfen eigentlich gar nicht über ihre Arbeit sprechen. Aus diesem Grund wurden überwiegend auch nur Interviewpartner ausgewählt, die ihren Job längst gekündigt haben.
http://www.thecleaners-film.de/
Images: Copyright (c) The Cleaners Film